Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft

Schmeck!

Wenn es um nachhaltige Ernährung geht, schieben sich Ökobilanzen in den Vordergrund, statt Esslust und Appetit. Die Herausforderung scheint darin zu liegen, sinnliches Begehren durch Vernunft und Regeln zu zähmen. Muss das so sein? Kann man nicht mit der Lust am Essen selbst experimentieren und gestalterisch arbeiten? Schließlich ist Geschmack eine hoch komplexe Angelegenheit und was beim Essen passiert, hängt davon ab, in welchem Kontext wir essen und was wir erwarten und gewohnt sind. Was da genau abläuft, darüber wissen wir noch wenig. Um das zu erkunden, machen sich zwei Fachgebiete, Politiksoziologie und Ernährungsbildung, gemeinsam mit 25 Amateurforscher*innen an die Arbeit. Im Schmeck!-Projekt erforschen wir, wie Essen in verschiedenen Situationen praktisch vollzogen wird und was dabei erlebt wird. Was erwarten Menschen vom Essen, was nehmen sie sinnlich wahr und was haben sie davon? Und wie könnte sich das verändern?

In sensorisch-ethnografischen Beobachtungen in Alltagssituationen fokussieren wir auf die subjektive Erfahrung und die Kommunikation von Geschmackserlebnissen. Davon ausgehend entwickeln und erproben wir Ansätze für Experimente, in denen Essroutinen und Geschmackserwartungen auf die Probe gestellt und produktiv irritiert werden. Hier kommen sowohl standardisierte wissenschaftliche wie auch offene künstlerische Ansätze zum Einsatz. Anschließend untersuchen wir, wie Esspraktiken durch experimentelle Interventionen in Bewegung geraten. Das Ziel ist es, Spielräume für die kreative Gestaltung von Esssituationen auszuloten, neue Geschmackswahrnehmungen zu entwickeln und ästhetische Pfadabhängigkeiten zu überwinden. Neben wissenschaftlichen Aufsätzen, Vorträgen, einem Symposium usw. erstellen wir „ein etwas anderes Kochbuch“. Als allgemeinere Frage im Hintergrund befassen wir uns damit, welche Rolle sinnliche Wahrnehmung und Ästhetik für nachhaltige Entwicklung besitzen und wie entsprechende Governanceansätze aussehen könnten.

So gelingt transdisziplinäre Forschung: Erfahrungen des Citizen Science Projekts „Schmeck!“

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LNdW 2019 - Diskussion #5: Schmecken: Farbe, Form und Geschmacksrichtungen

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Geschmackslabor meets SCHMECK - die Langen Nacht der Wissenschaften (LNDW)

Am 15. Juni 2019 fand an der Technischen Universität die Langen Nacht der Wissenschaften (LNDW) statt. Das SCHMECK-Projekt beteiligte sich an diesem Tag mit Mitmachexperimenten in Form einer Reise durch die eigenen Geschmackssinne. Unterstützt wurde das SCHMECK-Team an diesem Tag von Daniel Gottschlich, dem Zwei-Sterne Koch des Ox & Klee Restaurants in Köln.

Im obigen Video zur Diskussion #5 geben wir Einblick in die spannenden Resultate eines einzigartigen Abends.

Methodik

Das Ziel des Experiments war es, die Teilnehmer*innen in insgesamt vier identischen Sessions von je 45 Minuten ihre eigenen Geschmackssinne erkunden zu lassen. Basierend auf wissenschaftlicher Literatur, wurden an diesem Abend zu jedem unserer Geschmackssinne (salzig, bitter, umami, fettig, sauer, süß) einzelne kleine Experimente in Form von Verköstigungen angeboten. Zur besseren Geschmackseinschätzung und -wahrnehmung wurden den Teilnehmer*innen Fragebögen ausgeteilt, welche von 133 Personen ausgefüllt wurden.

Ergebnisse der Experimente

(i) Der erste Geschmackssinn salzig wurde mit drei Salzen (Hickory Räuchersalz, Blaualgensalz, Rosensalz) getestet. Wortassoziationen ergaben, dass vor allem für das Räuchersalz sowie das Algensalz die jeweiligen Salznoten dominierten, wohingegen beim Rosensalz der ursprüngliche Salzgeschmack dominierte.

(ii) Bitter wurde anhand eines Earl-Grey-Tees mit fünf Intensitäten (Ziehzeit, teils Zugabe von Bittersalz) angeboten. 93% aller Befragten probierten alle Intensitäten, wobei anhand einer Skala deutlich wurde, dass die Befragten die unterschiedlichen Intensitäten auch erkannten.

(iii) Der umami-Hauptgang des Abends bestand aus einem Risotto mit hohem natürlichen Glutamatanteil, bestehend aus getrockneten Tomaten, Dashi-Brühe, Shiitake-Pilzen und Brunnenkresse. Zur Wahrnehmung von umami standen hierzu Zeichnungen (v.a. Blumen, Teller, Landschaften, Wälder), Texte (v.a. lecker, vollmundig, käsig, Familie, Urlaub) oder Farbkreise (v.a. Gelb – steht für Fröhlichkeit und Aktiviertheit) zur Verfügung.

(iv) Eine Nachspeise folgte in Form des Geschmackssinns fettig, drei Gläser mit Quark und Erdbeerragout mit unterschiedlichen Fettstufen (0,1%, 20% und 40%). Das Ergebnis war eindeutig: Der Quark mit dem höchsten Fettanteil schnitt am besten ab, vor dem Quark mit dem mittleren Fettanteil und zuletzt der Magerfettstufe.

(v) Drei saure Cocktails auf Basis von Orangen- und Ananassaft versetzt mit Essigsäure, Zitronensäure oder Milchsäure folgten. Am sauersten wurde nicht die uns bekannte Zitronensäure, sondern die Essigsäure empfunden, abgeschlagen lag die Milchsäure.

(vi) Drei identische süße Drops aus Tomatenfond und Passionsfruchtmark in unterschiedlichen Formen (Kreis, Viereck, Viertel) wurden zuletzt verköstigt. Entsprechend der Literatur schmeckte Rundes süßer als Eckiges, jedoch wurde das Viertel als die geschmacklich süßeste Form empfunden.

Ausblick

Unsere Experiment-Reise zeigte deutlich auf, dass unsere Geschmacksinne uns helfen, nützliche sowie nahrhafte Stoffe zu erkennen (salzig, umami, fettig, süß) oder uns ein Warnsignal vor gefährlichen Stoffen sein können (bitter, sauer). Obwohl nicht jede Probe eine reine Gaumenfreude darstellte, kam durchweg positives Feedback von den Teilnehmer*innen an diesem Abend, welche sich über die Reise durch ihre Geschmacksinne und die neuen Sinneseindrücke freuten.

 

Projektlaufzeit: 11/2018-12/2021
Förderkennzeichen:
Fördergeber: Technische Universität Berlin

Projektkoordination:
Technische Universität Berlin, Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre, Fachgebiet Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft
Technische Universität Berlin, Institut für Soziologie, Politik- und Governancesoziologie

Projektpartner:innen:
25 Citizen Scientists (Amateurforscher*innen)

Museum für Naturkunde Berlin

Markus Binner

Michael Guggenheim

Webseite:
https://www.schmeckprojekt.de/

Kontakt

Raum MAR 1.042